Vorbeugung von Muskel-Skelett-Erkrankungen im Lager

8 min lesen04 Oktober 2021
MSE, also Muskel-Skelett-Erkrankungen, sind mit knapp 21,3% der häufigste Krankschreibungsgrund in Österreich, noch vor Infektionen wie z.B. grippalen Infekten und psychischen Ursachen, worunter auch Erschöpfungszustände und Burn-Out fallen. In einer europäischen Erhebung über Arbeitsbedingungen (2015) gaben rund drei von fünf Arbeitnehmenden an unter Muskel- und Skeletterkrankungen zu leiden, wobei Schmerzen im Rücken und in den oberen Gliedmaßen am häufigsten genannt wurden. Laut Aufzeichnungen der deutschen BKK erkranken rund 80% der Pflichtversicherten mindestens einmal im Leben an MSE. Dabei reicht die Bandbreite von kurzen, akuten Beschwerden bis hin zu chronischen und oft lebenslangen Beschwerden. Damit ist, neben dem Leid der Betroffenen, auch der volkswirtschaftliche Schaden immens.

Schweres Heben in Lager und Logistik

Beschäftigte im Bereich Lager und Logistik sind besonders häufig betroffen. Hier finden Sie einige Tipps, um die Risiken von Muskel-Skelett-Erkrankungen in Ihrem Lager durch eine bessere Arbeitsorganisation zu erkennen und zu verhindern. Dazu beantwortet uns Olivier Raquin , Direktor / Ergonom Eur. Erg® bei Ergonallianzunsere Fragen:

Muskel-Skelett-Erkrankungen erkennen

Was sind die wichtigsten Ursachen von MSE?

Die INRS (Nationale Forschungs- und Sicherheitsinstitut zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, Frankreich), nennt drei wesentliche Hauptursachen von MSE:

Biomechanische Faktoren von MSE

Biomechanische Faktoren

Sich wiederholende Bewegungen, statische Arbeit, übermäßige Muskelanstrengungen und -anforderungen, extreme Gelenkpositionen usw.

psychosoziale Faktoren MSE

Psychosoziale Faktoren

Zeitdruck, fehlende Kontrolle über die eigene Arbeit, fehlende soziale Unterstützung usw.

organisatorische Faktoren MSE

Organisatorische Faktoren

Zu kurze Vorlaufzeiten, monotone Arbeit oder unzureichende Erholungszeit

Im Folgenden finden Sie Ratschläge bezogen auf den physischen sowie biomechanischen Aspekt von Muskel-Skelett-Erkrankungen, die Ihnen dabei helfen, Berufsrisiken und deren Prävention einschätzen zu können.

Was sind die wichtigsten Symptome von Muskel-Skelett-Erkrankungen?

Die unter dem Kürzel „MSE“ anerkannten Berufskrankheiten zeigen an verschiedenen Körperstellen folgende Symptome:

  • Karpaltunnelsyndrom (Risiken im Zusammenhang mit dem Handgelenk, Ameisen in den Händen, Kraftverlust, kalte Hände usw.)
  • Ellenbogen- Sehnenentzündung (zB Tennisarm ) Schmerzen im Ellenbogen und seinen Gelenken sowie beim Greifen.
  • Rotatorenmanschettensyndrom (Schulterpathologie): Es gibt mehrere Stadien, die späteren Stadien sind nicht heilbar
  • Rückenschmerzen: Hexenschuss, Hexenschuss, Bandscheibenvorfall etc.

Diese vier Arten von Berufskrankheiten, die die unteren Gliedmaßen, die oberen Gliedmaßen und Lendenbereich betreffen, machen 75 % der Berufskrankheiten aus!

Aufmerksam sein – und bleiben!

Alles ist darauf zurückzuführen, dass Sie auf das Auftreten dieser Schmerzen achten, und somit auch von Anfang an entgegenwirken können: Dies ist ein entscheidendes Element für die Gesundheit und Sicherheit Ihrer Mitarbeiter am Arbeitsplatz. Deshalb müssen die Vorgesetzten vor Ort sofort aufmerksam sein, wenn Mitarbeiter ihnen beispielsweise Schulterschmerzen melden, die schleichend sind. Hier liegt eine große Verantwortung beim Management und in der Mitarbeiterführung.

Muskel-Skelett-Erkrankungen vorbeugen

Biomechanische Faktoren oder: Immer gleiche Bewegungsabläufe

Um biomechanischen Muskel-Skelett-Erkrankungen vorzubeugen, bedarf es einer methodischen Grundlage. Wir geben Ihnen einige wichtige Tipps, die als Grundlage für eine Analyse und die Erstellung eines Aktionsplans dienen.

Wie wir gesehen haben: Drei Arten von Faktoren können potenziell die Ursache von MSE sein (biomechanische, organisatorische und psychosoziale Faktoren).

Um einen MSE-Präventionsansatz zu implementieren, ist es daher zunächst erforderlich, biomechanische Faktoren wie unergonomische Bewegungsabläufe und Körperhaltungen, unangenehme Vibrationen oder die ständige, monotone Wiederholung von bestimmten Aufgaben zu verhindern oder zumindest zu verringern. Dabei helfen schon einfache Hilfsmittel wie der Palettierstab, der beim Umreifen von Hand das tiefe Bücken unnötig macht.

In einem zweiten Schritt muss versucht werden, die organisatorischen Faktoren und psychosozialen Risiken zu identifizieren . Viele Unternehmen investieren beispielsweise in Tools, die den Mitarbeitern die Arbeit erleichtern; aber manchmal versäumen Unternehmen es, ihre Mitarbeiter in der Anwendung zu schulen, was ihre Arbeit zusätzlich organisatorisch erschwert.

Zum Kampf gegen Muskel-Skelett-Erkrankungen, und um einen echten Fortschritt in der Prävention von Berufsrisiken zu erreichen, sind folgende Punkte daher unerlässlich:

  • Eine systematische Beurteilung der Arbeitssituation
  • In regelmäßig wiederkehrenden Abständen
  • Entlang aller Hierachiestufen

Die Überprüfung ergab eine erhöhte Belastung am Arbeitsplatz?

Während in anderen europäischen Ländern, beispielsweise Frankreich – nach strengen Vorgaben – teilweise Fördergelder für die Anschaffung solcher technischen Hilfsmittel zur Rückengesundheit im Betrieb beantragt und bewilligt werden können, ist es in Deutschland der Arbeitgeber, der die Kosten für solche Anschaffungen zu tragen hat. In Einzelfällen lohnt sich aber eine Anfrage über die Berufsgenossenschaft, die sich zum Beispiel unter gewissen Voraussetzungen an der Anschaffung von höhenverstellbaren Arbeitstischen beteiligt.

Kennen Sie das T-O-P-Prinzip?

Abhilfe können eine Kombination aus technischen Maßnahmen, organisatorischen Maßnahmen und personenbezogenen Maßnahmen schaffen.

MSE vermeiden: Prävention als Schlüssel zum Erfolg

Um Muskel-Skelett-Erkrankungen zu reduzieren, sollte der Wert in erster Linie auf die Prävention gelegt werden. Denn wenn Gelenkknorpel und Sehnen einmal abgenutzt sind, lässt sich das nicht mehr oder nur schwer wieder rückgängig machen.

Glücklicherweise gibt es eine Vielzahl von Maßnahmen zur Prävention von MSE. Zur optimalen Reduzierung von zu hohen Belastungen ist oft eine Kombination von mehreren dieser Maßnahmen sinnvoll. Bewährt hat sich hierbei vor allem das TOP-Prinzip.

T für Technische Maßnahmen

Hier liegt der Fokus darauf, gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen. Arbeitsplätze müssen ergonomisch und menschengerecht gestaltet sein, um körperliche Belastungen auf ein Minimum zu reduzieren. Im Büro sind das beispielsweise ergonomische Tische und Stühle sowie richtig eingestellte Arbeitsplätze.

Im Lager und beim Versand geht es in erster um technische Hilfsmittel. Vor allem für das Heben und Bewegen von Lasten sollten Hubwagen oder Förderbänder bereitstehen, um Mitarbeiter zu entlasten. Auch die immer gleichen Bewegungen beim Packen einer großen Anzahl von Kartons stellen auf Dauer eine erhebliche Belastung für den Rücken dar. Der Packtisch sollte deshalb die geeignete Arbeitshöhe haben und richtig ausgerichtet sein.

O für Organisatorische Maßnahmen

Neben den technischen Voraussetzungen gehören auch die organisatorischen Maßnahmen zur Prävention von MSE. Im Kern geht es hier darum, verbindliche Rahmenbedingungen zu schaffen.

Darunter fallen zum Beispiel Vorgaben für das Bewegen von Lasten (z.B. wenn diese nur von zwei Personen getragen werden dürfen) oder die Einsatzplanung von Beschäftigten. Damit ist unter anderem der Wechsel zwischen Tätigkeiten mit hoher und geringer Belastung, die Pausengestaltung und die Zuteilung in Gruppen unter Berücksichtigung der körperlichen Belastbarkeit gemeint.

Grundsätzlich sollten alle körperlich belastenden Arbeiten von gesunden und normal leistungsfähigen Personen ausgeführt werden, ohne dass es zu einer Schädigung der Gesundheit kommt. Sind erhöhte Belastungen unvermeidbar, dann sollten Aufgaben nur von Personen ausgeführt werden, die dafür auch körperlich geeignet sind.

P für Personenbezogene Maßnahmen

Zu den personenbezogenen Maßnahmen bei der MSE-Prävention gehören arbeitsmedizinische Voruntersuchungen, die betriebliche Gesundheitsförderung sowie die Schulung von Beschäftigten zu rückenschonenenden Hebetechniken und Bewegungsabläufen.

Insgesamt geht es also darum, dass der Arbeitgeber individuelle Angebote zum Training und zur Gesundheitsförderung bereitstellt sowie die medizinische Kontrolle, um Gesundheitsgefährdungen ausschließen oder zumindest minimieren zu können.

Daneben gehören auch betriebliche Eingliederungsprogramme sowie Beschäftigungskonzepte für Ältere und chronisch Kranke zu den personenbezogenen Maßnahmen, die im Rahmen der MSE-Prävention zum Tragen kommen.

Maschinen erleichtern die Pack-Prozesse

Aber auch die Technik machts möglich: Die Anschaffung einer Wickelmaschine beispielsweise kann unangenehme Haltungen der Wirbelsäule verhindern, die beim manuellen Filmen einer Palette entstehen können.

Neue Technologien helfen aber auch, andere, vielleicht nicht ganz so offensichtlich unergonomischen Abläufe, zu identifizieren. Die Firma HRV Simulation etwa arbeitet mit NAWO Solution-Technologie, die eine innovative Lösung zur Ausstattung und Industrialisierung ergonomischer Verfahren zur Erkennung von Muskel- und Skeletterkrankungen bietet . Der technologische Schlüssel zu dieser Lösung? Genaue Erfassung der Bedienerbewegungen. Um zu verstehen, wie NAWO Solution funktioniert, haben wir Pierre Foubert, Wirtschaftsingenieur bei HRV Simulation, getroffen:

„Unsere Lösung funktioniert in 3 verschiedenen Phasen:

  • Zunächst ist der Bediener mit Bewegungssensoren ausgestattet, die an jedem Körperteil angebracht sind, wie wir sie manchmal in Kino- oder Animationsfilmen sehen. So reproduziert ein virtueller Avatar, wenn er seine Aktivität auf natürliche Weise ausübt, die Bewegung auf dem im NAWO-Paket enthaltenen Tablet.
  • Dann berechnet unsere Software sehr genau die Winkelungen jedes Körpersegments , um die Schmerzen der verschiedenen Bewegungen des Trainers zu beurteilen.
  • Schließlich erstellt diese Software einen automatisierten ergonomischen Bericht, der auf die Belastungen des Bewegungsapparates und deren Expositionsdauer abzielt.

Dank dieser Lösung können Lagerleiter nun die Belastbarkeit von Arbeitsplätzen abbilden und ihnen einen objektiven Belastbarkeitsgrad zuordnen . Ziel ist es dann, die zu ergreifenden ergonomischen Maßnahmen gezielt zu ergreifen.

Es bedeutet auch echte Zeitersparnis: HRV Simulation beobachtet im Durchschnitt, dass seine Kunden die ergonomische Analysezeit um drei reduziert haben, mit beispielloser Analysepräzision.“

Alle Infos übersichtlich als Whitepaper?

Hier finden Sie unser Whitepaper: Berufsbedingte Muskel-Skeletterkrankungen erkennen und vermeiden!

Kommentare(2)
  1. Guten Tag,

    ich würde mich bei einer internen Präsentation gerne auf Ihre Statistik der MSE-Erkrankungen beziehen. (Muskel-Skelett-Erkrankungen, sind mit knapp 27% der häufigste Krankschreibungsgrund in Deutschland, noch vor Infektionen wie z.B. grippalen Infekten (16%) und psychischen Ursachen, worunter auch Erschöpfungszustände und Burn-Out fallen (14,8%)

    Können Sie mir daher bitte mitteilen, auf welche Quellen Sie sich da beziehen?

    Vielen Dank im Voraus.

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